Perspektive

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Vorbetrachtung 

Einleitung

"Perspektive" meint die zeichnerische (malerische) Darstellung der räumlichen Tiefe der mit den Augen wahrgenommenen Welt. Natürlich ist die beobachtete oder wahrgenommene Welt auch vor der Entdeckung der Gesetze der Perspektive schon in der Malerei dargestellt worden, aber eben über den der jeweiligen Zeit, ihrem Zeitgeist entsprechenden Wahrnehmungsfilter.

Man sieht das sehr schön, wenn man sich entlang der Zeitachse der künstlerischen Entwicklung bzw. Darstellungsformen bewegt.

Der Symbolgehalt scheint im Laufe der Zeit abzunehmen und der Realitätsgrad zuzunehmen. Der dargestellte Mensch verdrängt die Götter. Er ist nicht mehr eingebettet in ein göttliches Gefüge, sondern einfach in den Raum mit seinen Gesetzen.

Es ist nicht der Gegenstand der vorliegenden Betrachtung die Gesetze oder technische Vorgehensweise bei perspektivischen Konstruktionen zu zeigen - es gibt hierzu eine Fülle von Tutorials und Büchern, die das Thema mehr als erschöpfend darstellen. Vielmehr geht es mir darum, den Kontext, die Anwendung aufzuzeigen. Die technischen Konstruktionsmethoden sind eher abstrakt, schematisch und meist losgelöst von der praktischen Anwendung in einem Bild, in der Malerei.

In der Malerei geht es darüber hinaus, meines Erachtens, eben nicht um technische Genauigkeit, sondern eher um ein "Tun als ob", d.h. das Bild muss stimmig sein und wirken, nicht technisch perfekt.

Diese Perfektion ist wichtig für technische Zeichnungen oder Architekturzeichnungen, jedoch wirken diese Zeichnungen eher leblos. Ein Bild in dem Sinn wie ich es verstehe, sollte organisch wirken, lebendig sein - es sollte eine Geschichte erzählen. Die technische Zeichnung ist eine Kopfgeburt, die künstlerische Zeichnung eine Umsetzung und der Ausdruck einer seelischen Empfindung des Wahrgenommenen oder Gesehenen. Die künstlerische Darstellung ist jedoch nie ein Abbilden der Realität - das ist gar nicht möglich. Vielmehr liegt hier immer eine persönliche Wahrnehmung zugrunde und keine zwei Künstler würden irgendein Sujet gleichermaßen darstellen, es geht immer durch den Filter der Persönlichkeit des Künstlers. Und das ist gut so, das macht Kunst und den Künstler erst aus.

Die zeichnerische oder malerische Darstellung eines Baumes ist ja nie der Baum selbst, sondern besteht ja lediglich aus Linien oder Farbflächen, die die Illusion des Baumes hervorrufen. Ich kann die Physis des Baumes, seine Rindenstrukur, seinen Geruch, seinen kühlenden Schatten, das Säuseln des Windes in seinem Blattwerk ja nicht auf einem Blatt Papier bannen. Aber ich kann das Gefühl dafür erzeugen.
Man muss sich vor allem Folgendes bewusst machen:
Die Kenntnis der Perspektive ist nicht vom Himmel gefallen und auch nicht "zufällig" entdeckt worden. Im größeren Kontext betrachtet, handelt es sich hier um eine Weiterentwicklung des menschlichen Bewusstseins. Eine Idee, für die die Zeit reif ist, die dem Zeitgeist (=das Entwicklungsniveau des Menschen) entspricht, sucht sich Eingang in die Welt, in das menschliche Bewusstsein.

Diese Eingangstür ist der geniale Mensch, der reif für diese Idee ist, sie aufnehmen und verwirklichen kann. Im Fall der Perspektive war es vornehmlich Brunelleschi. Diese Idee wurde nun von anderen Künstlern aufgenommen und gemäß ihren Möglichkeiten aufgegriffen. Von der breiten Masse wurde sie nicht wahrgenommen, ist nicht in deren Bewusstsein unmittelbar eingedrungen - dies ist sie auch vermutlich heute noch nicht - und doch ist sie da.
Ähnlich lange hat es ja auch mit dem kopernikanischen Weltbild gedauert. Solche Vorgänge erstrecken sich in der Regel über Jahrhunderte.
Diejenigen Künstler, die die Idee der Perspektive in ihr Bewusstsein aufgenommen hatten, mussten sich erst durch langjährige Übung damit vertraut machen, was man an vielen Bildbeispielen der Kunstgeschichte nachvollziehen kann.
Die Ägypter oder die Griechen waren aufgrund ihrer Bewusstseinsstruktur noch nicht fähig diese Idee aufzunehmen, da es einfach nicht dem damaligen Zeitgeist (=Bewusstseinsstufe) entsprach. Was in der Renaissance der dreidimensionale objektiv wahrgenommene Raum ist dort der mythische Überbau, die Götterwelt. Das gleiche gilt für die Kunst der Gotik oder des Mittelalters (vor der Renaissance), wo Personen aufgrund ihres gesellschaftlichen Status größer oder kleiner dargestellt wurden, ihre Einbindung in die objektive Realität des Raumes war noch kein Thema, wurde offensichtlich auch gar nicht wahrgenommen.

Es geht also in der Perspektive letztlich um die Darstellung des Menschen im wahrgenommenen Erlebnisraum, sei dieser nun vornehmlich geprägt durch Mythologie (Ägypter, Griechen), eine göttliche Ordnung oder Standesordnung (Mittelalter) oder den objektiven Raum mit seinen wissenschaftlich fundierten Gesetzen der Perspektive und Proportionslehre. Über die perspektivische Darstellung erkenne ich zum Einen die Position einer Figur im Raum (nah, fern, vor, hinter) und ebenso die Bewegungsrichtung der Objekte in den Raum oder im dargestellten Raum.

Ägyptische Malerei

Die beiden oben abgebildeten ägyptischen Papyri sollen den eher mythischen Charakter in der frühen vor-perspektivischen Kunst verdeutlichen, wo der mythische Überbau den Bildaufbau und Bildinhalt bestimmte.
Man sieht: die Darstellung ist überladen mit Symbolen mit überweltlichen Bezügen, die Figuren sind stilisiert, die Bilder wirken flach, nicht räumlich. Raum und Zeit werden noch nicht so recht wahrgenommen in ihrer Tiefe und ihrem Ablauf, Überweltliches und Alltägliches scheinen in der Gegenwart, ihrem betrachteten Augenblick zusammenzufallen oder besser zusammenzuwirken und genau das scheint mir auch dem Denkweise (als Art der Weltwahrnehmung) des Menschen dieser Zeit gewesen zu sein.
Bemerkenswert scheint mir auch die Tatsache, dass die Götterfiguren und die Menschen, wie auch der Pharao sich auf einer Ebene befinden. Wir haben hier also nicht die hierarchische Ordnung, wie im Mittelalter, wo Gott immer oben, oft auf einer Wolke angeordnet ist.
Vielleicht liegt die Bedeutung darin, dass die Ägypter ihre Götter ins Leben integriert hatten und keine so strenge Trennung vornahmen ...?

Griechische Malerei

Auch hier, bei der griechischen Vase, gilt ähnliches - eher stilisierte Figuren, ohne Raumtiefe - reines Gegenwartsgeschehen. Der mythische Überbau ist hier aus meiner Sicht zwar nicht dargestellt, war jedoch auch für die Griechen typisch und alltäglich (wie man in der "Illias" deutlich erkennt).
Möglicherweise stellen jedoch bestimmte Symbole, wie der Skorpion auf dem Schild des einen Kämpfers oder der Stab mit der doppelköpfigen Schlange, den der Mann rechts in der Hand hält, solch einen Bezug her ...

Mittelalter

Im Mittelalter, vor der Renaissance, wurden die Figuren gemäß ihrer gesellschaftlichen Stellung (ihrem Stand), d.h. gemäß der damals gültigen Standesordnung, dargestellt. Je höher der Stand, desto größer die Figur und desto höher ihre Position im Bild, auch wenn sie im Hintergrund steht, sofern man in einer unperspektivischen Zeichnung von Hintergrund reden kann. Räumliche Tiefe ist nicht vorhanden, im Sinne der Perspektive. Es geht hier noch mehr um das Eingebettetsein des Menschen in eine göttliche Ordnung oder Hierarchie, in der jeder seine feste Stellung hat.
Was hier gedanklich zugrunde liegt, ist eine starr-hierarchische, gottgegebene Ordnung der Welt, die von unten (niedere Stände) nach oben (höhere Stände) gerichtet und aufgebaut ist. Allein der Begriff "Stand" untermauert ja das Festgefügte dieser Weltordnung, in der jeder an seinem vorgesehenen oder vorbestimmten Platz steht und der zugehörigen Tätigkeit nachgeht.
Durch die nicht vorhandene (dargestellte) Raumestiefe fehlt hier auch die Wahrnehmung von Raum- und Zeit, von Vergangenheit und Zukunft - denn die Ordnung ist nicht veränderbar, allgegenwärtig und eine Veränderung, im Sinne eines Aufstiegs in einen höheren Stand, undenkbar.

Der Weg zur perspektivischen Darstellung 

Der Übergang 

Die unperspektivische Burg

Gerade die "Unfähigkeit" oder Unreife zur perspektivischen Konstruktion wird in der hier gezeigten Darstellung einer Burg sehr schön deutlich. Alle Figuren - ob sie nun eher im Bildvordergrund oder -hintergrund sich befinden, sind gleich groß. Es gibt keine Fluchtlinien. Auch stimmen die Größenverhältnisse (Figuren gemessen am Gebäude) in keinster Weise.
Hier scheint es eher um die Tätigkeit, die Rollen der einzelnen Figuren zu gehen, nicht um ihre Position bzw. Einbettung in den dreidimensionalen Raum. Allerdings erkennt man auch, dass der Künstler die Räumlichkeit der Burg durchaus wahrgenommen hat - Etwa an der Art, wie er Teilgebäude der Burg oder den Holzwürfel im Hintergrund konstruiert hat.
Bloß kannte er die Regeln der perspektivischen Konstruktion noch nicht: denn was hier wesentlich fehlt, ist der eindeutige Bezug auf . Allein die Draufsicht und zumindest die Anlage als Zweipunkt-Perspektive, die sich dadurch aufdrängt, sprechen dafür. Üblicherweise sieht man in solchen „vorperspektivischen“ Zeichnungen oder Gemälden meist Frontalansichten …
Trotz alledem eine sehr ansprechende Darstellung - Farben und Formen wirken irgendwie harmonisch und angenehm.

Vermischte Sichtweisen

In der hier gezeigten Straßenszene hat derjenige, der sie erstellt hat, so etwas wie eine Perspektive ganz grob wahrgenommen. Auch gelingt ihm eine gewisse Art der räumlichen Darstellung, jedoch hat er nicht klar unterschieden zwischen der Sicht in die Szene (davorstehend) und der Draufsicht. Wenn hier eine Beobachtung dieser Szenerie durch einen erhöht außenstehenden Betrachter zugrundeliegt, hat dieserdie Szene wohl von einem leicht erhöhten Standpunkt, etwa aus einem Fenster oder von einer Mauer hinabblickend betrachtet.
Das vordere Drittel, der Eingang zur Szene, die wohl eine Art Marktstraße darstellen soll, ist eher von einem unmittelbar Davorstehenden betrachtet, wenn auch von einem leicht erhöhtem Standpunkt. Das mittlere, wie das obere Drittel sind klar eine Draufsicht. Durch die Vermischung beider Sichtweisen kann einem leicht schwindlig werden. Der Hintegrund scheint fast, wie auf einer schiefen Ebene, jeden Moment nach vorne zu rutschen.

Die Proportionen der Menschen sind durchgehend nicht korrekt dargestellt. Die Handwerker und Händler im Vordergrund, am Eingang zur Markstraße sind im Verhältnis zur direkt folgenden Figurengruppe mit dem anscheinend betrunkenen Mann und den beiden, die ein Buch oder eine kleine Kiste begutachten, viel zu klein dargestellt. Auch haben die Figuren im Vordergrund keine einheitlichen Größenverhältnisse. Man betrachte und vergleiche etwa die blaugekleidete Frau vorn am Tisch mit dem rechts daneben stehenden Mann am Stand des Tuchhändlers - beide müssten, da sie auf der gleichen Ebene stehen, etwa gleich groß sein.
Die beiden Figuren in der Mitte (einer trägt gebeugt eine Last, der andere transportiert ein Holzfass auf seinem Kopf) müssten nach den Gesetzen der Perspektive, gemessen an den Figuren im Vordergrund wesentlich kleiner sein.
Besonders beachtenswert finde ich die Räumlichkeit der Möbel, die im oberen Bildteil zusammenstehen, ebenso die elliptischen Öffnungen der Töpfe, gemäß der Verzerrung, die ein Kreis in der perspektivischen Darstellung erfährt. Auch hat die Marktstraße als ganzes eine "Flucht", wenn auch keinem exakten Fluchtpunkt entgegen. Gleiches gilt für die links- und rechtsseitigen Häuser und die davor stehenden Holzkisten.
In der Gesamtschau finde ich den Gedanken oder die Beobachtung aufschlussreich und beeindruckend, wie jemand eine Perspektive wahrnimmt ohne ihre Prinzipien zu kennen und es ihm gelingt, zumindest im Betrachter, den Eindruck einer solchen hervorzurufen.

Es handelt sich hier um eine erahnte, nicht bewusst wahrgenommen und gestaltete Perspektive, die ohne Kenntnis der zugrundeliegenden Konstruktionsregeln natürlich einfach nicht besser dargestellt werden kann.

Falsche Größenverhältnisse

Die perspektivische Darstellung musste erst erprobt und erlernt werden, je nach Entwicklungshöhe des Künstlers. Schaut man bei der folgenden Landschaftsdarstellung genau hin, so erkennt man, dass die Größenverhältnisse nicht so ganz genau getroffen sind.
So ist die Burg im Hintergrund zu klein im Vergleich zu den Figuren, die diese wohl gerade verlassen. Die Figuren, die das Rotwild jagen, sind im Vergleich zu denen im Hintergrund zu groß (im Grunde fast gleich groß) bzw. zu denen im Vordergrund zu klein. Auch sind Hund und Rotwild zu groß geraten im Vergleich zu Pferd und Mensch. Was hier auch fehlt, ist die Luftperspektive, d.h. das undeutlicher, unschärfer Werden des Dargestellten mit zunehmender Entfernung vom Betrachter oder dem Bildfokus (dem Vordergrund). Auch hier sind keine klaren Fluchtpunkte zu erkennen, an denen man sich (konstruktiv) orientieren könnte.
Aber der Künstler war offensichtlich noch in seiner Lernphase, vielleicht konnte er es auch einfach nicht besser ...
Beeindruckend ist in jedem Fall die Komplexität der Komposition, die korrekte Darstellung der Anatomie von Mensch und Tier, sowie die Faltenwürfe der Kleidungsstücke der Akteure.

Die Entdeckung des Fluchtpunktes 

Fluchtpunkt(e)

In der folgenden Zeichnung erkennt man klar die Konstruktion des Bildes anhand von Linien, die einem Fluchtpunkt zulaufen - wenngleich die Konstruktion nicht ganz sauber ist. Die roten Linien laufen einem klaren, einheitlichen Fluchtpunkt entgegen, nicht so jedoch die blauen Linien. Richtig wäre es, wenn alle Linien dem gleichen Fluchtpunkt (FP1) zuliefen.

Zentralperspekive 1

Die folgende Darstellung wurde im Sinne der Zentralperspektive angelegt, in der alle Fluchtlinien in einem zentralen, in der Bildmitte gelegenen Punkt, zusammenlaufen, wie es hier der Fall ist. Der Blick des Betrachters wird hierdurch auf die zentrale, auf einem Sockel stehende Figur (Christus?) gelenkt

Zentralperspekive 2

Deutlich sichtbar wird die Idee der Zentralperspektive auch beim Blick in den Innenraum einer Kirche. Klar laufen hier alle Linien einem zentralen Fluchtpunkt zu. Dieser ist nicht konstruiert, da es ein Foto ist, ergibt sich aber aus dem Standpunkt des Betrachters und seiner Position im dreidimensionalen Raum. Zentrum der Fluchtlinien ist der Altar.

Flächenteilung

Gleiches gilt für die folgende Sicht auf einen Bogengang, wo alle Linien des Gebäudes einem Fluchtpunkt zustreben. Genaugenommen haben wir es hier mit einer Zweipunkt-Perspektive zu tun. Man erkennt, wie die Abstände der Säulen geringer werden und die Säulenbögen selbst im Verlauf der Perspektive an Höhe und Breite abnehmen. Es geht hier, rein konstruktiv gesehen, um das Problem der Flächenteilung in der Perspektive.

Proportionen

In der perspektivischen Darstellung sind jene Gegenstände (hier speziell Menschen), die sich weiter entfernt befinden, kleiner darzustellen, als solche, die näher am Betrachter sind. Die Proportionen des menschlichen Körpers bleiben hier natürlich erhalten.
Das ist so zu verstehen, dass die perspektivisch korrekte Größe sich gemäß der blauen eingezeichneten Senkrechten durch die Fluchtlinien ergibt. Fußpunkt dieser Senkrechten ist der Standpunkt (Füße) der Figur in der Raumtiefe. Der vorne links stehende Mann, durch den die blaue Linie senkrecht hindurch geht, dient hier als Bezugsgröße, von der die Größen der räumlich tiefer stehenden Figuren abgeleitet werden (mit den Methoden der perspektivischen Konstruktion):
Die Mönchsfigur mit den gefalteten Händen steht hier etwas tiefer, hat jedoch die korrekte perspektivische Größe - angezeigt durch die zugehörige blaue Linie. Die konstruierte Größe der direkt (rechts) daneben stehenden,gelb gekleidete Figur Linie ist durch die grüne Senkrechte angezeigt. Schiebt man diese Linie soweit nach oben, dass ihr Anfangs- und Endpunkt exakt in die zum Bildzentrum laufenden roten Linien einpasst, sieht man auch hier die Korrektheit der Konstruktion.
Es sind in diesem Bild vor allem auch die Figuren in ihren richtigen Größenverhältnissen zu den Gebäuden dargestellt, wie man z.B. an den weit hinten, im Portal stehenden Figuren sieht.

Im Grunde gleiches gilt für die folgende etwas idealisierte oder konstruiert wirkende Darstellung.

Luftperspektive

Blickt man tief in eine Landschaft hinein, so erkennt man, dass die Farben mit zunehmender Raumtiefe verblassen, Konturen sich auflösen. In der Regel verschiebt sich das Farbspektrum in Richtung der Blautöne.
Diesen Effekt bezeichnet man als "Luftperspektive". Es geht also in der perspektivischen Darstellung nicht nur darum korrekt zu konstruieren und Fluchtpunkte zu beachten, um somit die sich in der Raumtiefe verändernden Objektgrößen richtig darzustellen, sondern auch darum das Dargestellte mit zunehmender Entfernung "undeutlicher" werden zu lassen.

Da Vinci erläutert dies folgendermaßen:
"Es gibt eine weitere Perspektive, welche ich Luftperspektive nenne , weil man an der Luft die unterschiedlichen Entfernungen mehrerer Gebäude zu erkennen vermag, welche auf einer einzigen Linie ansetzen. Als ob man viele Gebäude jenseits einer Mauer sähe, welche alle über dem Mauerrand gleich groß erscheinen und du wolltest im Bild das eine weiter entfernt als das andere aussehen lassen (die Wirkung) einer etwas dichteren Luft darstellen.
Du weißt, in dieser Luft erscheinen die in ihr gesehenen am weitesten entfernten Dinge wie etwa Berge durch die große Menge an Luft zwischen deinem Auge und den Bergen blau und fast von derselben Farbe wie die Luft, wenn die Sonne im Osten steht.
Daher machst du das erste Gebäude der besagten Mauer mit seiner (tatsächlichen) Farbe, das weiter entfernte mache weniger deutlich und blauer. Jenes, was noch weiter entfernt sein soll, mache umso blauer. Und durch diese Regel lässt sich bei Gebäuden, welche oberhalb einer (gegebenen) Linie gleich groß erscheinen, deutlich unterscheiden, welche entfernter sind und welche größer als die anderen."

Weitere Beispiele für die Luftperspektive

Perspektivische Sonderfälle 

bewusste Fehler

Schaut man sich die Werke großer Künstler an, so entdeckt man zuweilen auch dort scheinbare jedoch bewusst gesetzte "Fehler" - sei es nun die Anatomie, die Proportion oder die Perspektive. Diese Tatsache soll diese Werke in ihrem Wert nicht schmälern, zeigt jedoch, dass man bei einer sehr komplexen und vielleicht nicht exakt geplanten Komposition, bestimmte Details oder Beziehungen im Bild aus dem Auge verlieren kann. Ich habe beim Durchblättern eines Buches über Hieronymus Bosch folgende Zeichnung entdeckt.

Analyse

Schaut man genau hin, so kann man, abgesehen vom Hintergrund, drei Bildebenen erkennen:

(1) die vordere Ebene, auf der sich das Reh befindet
(2) die mittlere Ebene mit dem Baum und den darin sich befindenden Menschen
(3) die hintere Ebene mit der auf dem Ast sitzenden Eule

Was fällt auf?

Die Eule scheint fast so groß wie das im Vordergrund befindliche Reh und hat, verglichen mit den Menschen im Mittelgrund, fast deren Größe. Man kann sich nun nach den bekannten perspektivischen Gesetzen die Größe(Höhe) des Rehs auf der Ebene der Eule konstruieren.
Das Reh (speziell seine Höhe) dient hier als Referenzpunkt, von dem aus man die Verbindungslinien zum gedachten Fluchtpunkt zieht.
Ausgehend vom Schnittpunkt der unteren Perspektivlinie (ausgehend vom Reh) mit der Linie der Ebene,in der sich die Eule befindet, zieht man eine senkrechte Verbindungslinie zur oberen Perspektivlinie. Man erhält somit die Höhe des Rehs, wenn es auf der Ebene der Eule sich befände.

Die Projektion dieser (roten) Linie neben die Eule zeigt, dass das Reh gerade so hoch wäre wie der Kopf der Eule, sprich: Die Eule ist zu groß gezeichnet und müsste einen Bruchteil der Höhe des Rehs haben, ausgehend von den natürlichen Größenverhältnissen. Allerdings würde man sie dann als solche nicht mehr erkennen, vermutlich hat Bosch sie deshalb überdimensioniert ...

Vermutlich sind aus "dramaturgischen Gründen" diese "Fehler" bewusst in die Gestaltung eingeflossen. Es geht eher um Symbolik oder Allegorie als um das Darstellen einer realen Szene, denn die gibt und gab es in dieser Form sicherlich nie.

Spielereien 

Beherrscht man die Gesetze der Perspektive, so kann man sie beugen und dadurch scheinbar unmögliche Figuren entstehen lassen, zumindest auf dem Papier, so wie es M.C. Escher getan hat. Oder man betrachte die Konstrukte des Mathematikers Roger Penrose.

Penrose Dreieck

Zum einen gibt es da das Penrose-Dreieck, das offensichtlich nicht mit den Gesetzen der Perspektive konform geht - in der Realität existiert solch ein Gebilde nicht.

Treppauf-Treppab

Ebenfalls sehr interessant - auch von Penrose - eine Art von endloser Treppe ...
Ebensolche Konstrukte findet man in den Arbeiten von M.C. Escher

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